ZESStalk mit Dr.-Ing. Julian Schwenzel: Unsere Entwicklungen stehen für leistungsfähige, sichere und nachhaltige Batterien
Julian Schwenzel studierte Physik an den Universitäten Ulm und Kiel. Seine Promotion auf dem Gebiet Materialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Elektrische Energiespeicher schloss er 2003 am Lehrstuhl für Sensorik und Festkörperionik der Universität Kiel ab. Thema: Entwicklung von Festkörperbatterien. Anschließend war er als F&E Projektleiter bei Applied Materials in Alzenau tätig. Seit 2008 ist Julian Schwenzel am Fraunhofer IFAM tätig und seit 2009 Leiter der Abteilung elektrische Energiespeicher in Bremen. Die Forschungsschwerpunkte sind Batterien der nächsten Generation mit dazugehöriger Prozesstechnologie. 2021 übernahm er zudem die Leitung des Fraunhofer-Zentrums für Energiespeicher und Systeme in Braunschweig.
Im Februar 2019 fiel der Startschuss für das Fraunhofer-Zentrum für Energiespeicher und Systeme ZESS. Wie hat sich die Zusammenarbeit entwickelt und welche Ziele konnten in den ersten drei Jahren erreicht werden?
Die Zusammenarbeit der drei beteiligten Institute hat sich in kurzer Zeit sehr gut entwickelt. Durch die zügige Inbetriebnahme der Labor- und Technikumsflächen am NFF konnten wir die Forschungsaktivitäten vor Ort schnell starten und die Zusammenarbeit gezielt aufbauen und weiter stärken. Gute Erfolge zeigen sich in der gemeinsamen Akquise von Forschungsprojekten, wie beispielsweise in dem vom BMBF geförderten Kompetenzcluster für Festkörperbatterien »FestBatt« oder der Beteiligung an dem vom BMDV geförderten Großprojekt »H2GO – Nationaler Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion«. Mit der Gewinnung von neuen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir bereits mit über 50 Mitarbeitenden am Fraunhofer ZESS vor Ort tätig. Die Planungsphase für den Forschungsneubau konnten wir erfolgreich abschließen und am 7. Juni mit einem feierlichen Spatenstich die nächste Phase einleiten. Das Gebäude bietet bei Fertigstellung im Jahr 2025 eine einzigartige Infrastruktur für unsere Entwicklungsziele. Wir freuen uns sehr, dass wir dadurch die gesamte Wertschöpfungskette und Betrachtung der Gesamtsysteme – von den grundlegenden Materialien bis hin zur Fertigungstechnik – zu unseren Schwerpunktthemen abdecken können.
Seit Anfang 2021 sind Sie zum Leiter des Zentrums berufen worden. Welche Aufgaben sind damit verbunden und welche wissenschaftlichen Meilensteine möchten Sie in den nächsten Jahren erreichen?
Als Zentrumsleiter bin ich hauptsächlich für die Koordination der wissenschaftlichen Projekte sowie für das finanzielle und administrative Projetmanagement zuständig. Zudem koordiniere ich die Zusammenarbeit der jeweiligen Arbeitsgruppen innerhalb des Fraunhofer-Zentrums.
Unser Ziel ist es, neue, sichere und leistungsstarke Batterien bis zum TRL-Level 6 zu entwickeln. Wir sind uns sicher, dass wir durch die guten Voraussetzungen, die örtliche Bündelung der Forschungs- und Entwicklungskompetenz der drei Fraunhofer-Institute sowie gemeinsam mit der TU Braunschweig und weiteren bestehenden Netzwerken diesen Meilenstein erreichen können.
Mit der Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette vom Material über Fertigungsverfahren bis hin zur Digitalisierung und Fabrikplanung ist das Fraunhofer ZESS breit aufgestellt. Wie reagieren Sie auf die aktuellen Herausforderungen der Energiewende?
Am Fraunhofer ZESS arbeiten wir mit Blick auf die Energiewende an verschiedenen Technologien. Die Gewährleistung für eine sichere Energieversorgung erfordert zuverlässige, stationäre Energiespeicher mit einer langen Lebensdauer und einer nachhaltigen Verfügbarkeit. Dafür bieten die am Fraunhofer ZESS adressierten kostengünstigen Na/ NiCl Batterien ein hohes Potenzial. Wasserstoff spielt als vielseitiger Energieträger ebenfalls eine Schlüsselrolle für den langfristigen Erfolg der Energiewende. Die Herausforderungen liegen nach wie vor bei der Speicherung und dem Transport. Die POWERPASTE ist eine vom Fraunhofer IFAM erfundene und entwickelte Substanz zur Wasserstoffspeicherung mit ultrahoher Kapazität für PEM-Brennstoffzellenanwendungen. Am Fraunhofer ZESS wollen wir die Synthese von der wasserstoffspeichernden Paste bis in den Technikumsmaßstab weiterentwickeln und erproben.
Forschungsschwerpunkte im Fraunhofer ZESS sind unter anderem Festkörperbatterien und Wasserstofftechnologien. Welche Technologien sehen Sie für welche Anwendung?
Unsere Entwicklungen am Fraunhofer ZESS adressieren unterschiedliche Anwendungen. Mit ihrer hohen Energie- und Leistungsdichte eignen sich die Festkörperbatterien besonders gut für Mobilitätsanwendungen. Einen Einsatz dieser Technologie sehen wir für PKW und Lastkraftwagen im Nahbereich sowie im Luftverkehr für kleinere Flugzeuge, die nur Kurzstrecken fliegen. Wichtig ist jedoch vor allem die Langlebigkeit und Kosten der Festkörperbatterien zu beachten. Deshalb wäre für sehr große Reichweiten und Langstreckenflüge die Wasserstofftechnologie die bessere Variante. Natürlich sind auch Anwendungen vorstellbar, bei denen eine Kombination aus Wasserstofftechnologie und Festkörperbatterien eingesetzt wird – auch hier gilt es das technologisch Mögliche mit den Kosten und Nutzen zu vereinbaren.
Es kommt immer wieder die Frage nach den Rohstoffen. Gibt es genügend Rohstoffe? Gibt es Alternativen? Werden die Materialen inzwischen stärker recycelt?
Studien zeigen, dass die terrestrischen Rohstoffressourcen für Batterierohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Graphit ausreichend vorhanden sind. Neue Speichertechnologien können sich aber nur dann durchsetzen, wenn diese Rohstoffe nachhaltig zu gewinnen und geostrategisch zugänglich sind. Die Herkunft und Aufbereitung der notwendigen Rohstoffe spielen daher eine sehr große Rolle. Ein wichtiger Baustein ist auch die Kreislaufwirtschaft. Durch ein flächendeckendes Recycling kann ein fast geschlossener Rohstoffkreislauf entstehen und damit zur Sicherheit der zukünftigen Rohstoffversorgung beitragen. Im Fokus stehen insbesondere Nickel, Kupfer und Kobalt. Diese Wertstoffe können zu über 90 Prozent aus gesammelten Batterien zurückgewonnen werden. Lithium wird zurzeit nur bei wenigen Recyclingprozessen berücksichtig. Da die Anwendungen und der Einsatz von Lithium steigen, wird die Rückgewinnung auch hier immer mehr an Bedeutung gewinnen. Alternativ kann Lithium bei einigen Anwendungen auch durch das kostengünstige und gut verfügbare Natrium ersetzt werden.